„Europas alte Bäume“ von Jeroen Pater 

Ein Bildband soll hier vorgestellt werden, von dem man meinen könnte, ihn zu kennen. Es ist aber kein neues oder neu aufgelegtes Buch des Deutschen Baumarchivs, wenn auch Bernd Ulrich vom Autor Dank für seine Unterstützung bekommt. Vielmehr nimmt der Niederländer J. Pater eine weitere, eine europäische Perspektive ein und stellt uns mit wunderbaren Fotos und Hintergrundinformationen 100 spektakuläre Baumveteranen von Großbritannien bis zur Slowakei vor.

„Europas alte Bäume“ von Jeroen Pater Jeroen Pater hat seinem Buch eine einfache Struktur gegeben: Er porträtiert die Bäume nach den Ländern, in denen sie stehen. Dazu beginnt er in Schweden und endet in Griechenland. Seine Reise verläuft in einer Art Serpentine über die Landkarte Europas vom Nordosten zum Südosten, von Nord nach Süd in Schwüngen über England, das Baltikum, den Balkan, zurück nach Westen über die Alpen und entlang des Mittelmeers. In den einzelnen Ländern sucht er ausdrucksstarke alte Bäume auf und erzählt ihre Geschichte und Geschichten.
Der deutlich über DIN A4 große Bildband aus dem Kosmos-Verlag, dessen Textanteil etwa ein Drittel des Platzes braucht, umfasst knapp 200 Seiten und enthält am Ende eine hilfreiche Tabelle, die alle behandelten Bäume mit ihren Daten auflistet. Nun aber genug der formalen Dinge.
Sie wissen, dass ich Bücher, die nicht unmittelbar Bonsai behandeln, daraufhin anschaue, was man aus ihnen für unser Hobby lernen kann. Nun: Was ist in dieser Hinsicht drin in diesem Buch?
Es lassen sich viele Beispiele für Bäume finden, deren hohes Alter durch besondere Charakteristika hervorgehoben wird. Diese Eigenschaften gleichen denen, – es wird Sie nicht wundern – die auch in der Bonsaikultur gelten. Schon das Umschlagbild, eine Lärche, zeigt die typischen Merkmale: einen  breiten Wurzelansatz und eine deutliche Stammverjüngung (Tachiagari) von dort bis zu den ersten Ästen. Die Lärche taucht im Buch auf Seite 178 auf und da sitzt der Autor neben ihrem Fuß und erlaubt uns, eine Ahnung von der Mächtigkeit dieses Baumes zu bekommen. Ohne ihn hätte man auch die Nahaufnahme eines Lärchen-Nebari vor sich haben können. Das besondere an diesem Baum ist zudem, dass es ein Nadelbaum ist, denn sonst sind fast ausnahmslos Laubbäume vertreten, die nach Pater überwiegend die europäischen Baummonumente stellen. In Nordamerika sei es eher umgekehrt.
Noch ein zweites Beispiel. Die „Jack- of-Kent-Eiche“ könnte ebenso – freigestellt von ihrem landschaftlichen Hintergrund und fototechnisch in eine Schale montiert – einen ausgezeichneten Bonsai abgeben. Gut, ein bisschen übertrieben ist diese Behauptung, denn obwohl die Äste wunderbar knorrig gewunden sind, der Stamm sich krass verjüngt und der Baum extrem kompakt wirkt, stimmen die Proportionen nicht ganz. Denn solch eine feine Verzweigung ist bei einer Eiche nicht erreichbar und sei sie auch ein eineinhalb Meter großer Bonsai. Aber auch die Art und Weise, wie sich die Proportionen (Höhe 10 m, Stammumfang 11,67 m, Kronenbreite ca.15 m) entwickelt haben, ist uns Bonsaianern nicht fremd. Der Autor vermutet, dass der Stamm abbrach und durch eine neue Spitze ersetzt wurde, ebenso wie weit ausladende Äste wohl abbrachen und sich auf „bonsaitypische“ Art neu aufbauten.
Es gibt auch andere Eichen, die auch über 500 Jahre alt sind, die jedoch weitaus jünger wirken, was meiner Meinung nach mit den weniger vorhandenen genannten Altersmerkmalen zu tun hat. Deutlich höhere Eichen (25 m) mit säulenförmig gestrecktem Stamm und aufstrebenden Ästen sind zwar ebenso alt, erscheinen jedoch lange nicht so von den Jahrhunderten bearbeitet wie die oben genannte.
Ein weiterer Umstand scheint die Vorstellung zu stützen, dass Nebari und Tachiagari zusammen mit den Ästen die Alterswahrnehmung entscheidend prägen. Der Autor fotografiert – fast nur im Winter – vor allem diese Strukturen, um das monumentale der Bäume darzustellen, oft ist auch nicht viel mehr von den Riesen erhalten. Und er kommt selbst auf den Vergleich zum Bonsai: Ein Ölbaum in Katalonien mit extremer Verjüngung, dessen Alter auf bis zu 2.000 Jahre geschätzt wird, lässt Pater beeindruckt diese Assoziation haben, wenn er auch sonst eher Bäume schön findet, die dem typischen mittelalten Parkbaum ähnlicher sind. Konsequent Altersangaben zu jedem Baum zu machen, ist mutig. Er legt auch offen, wie er zu seinen Einschätzungen kommt und er verfällt nicht der Euphorie hoher Zahlen, was ebenfalls dem Bewusstsein geschuldet ist, dass die Erscheinung eines Baumes trügen kann.
Kokufu-Bildbände stellen sicher eine erste Quelle für das Studium von Altersmerkmalen bereit. Wer jedoch die Patina spezifisch europäischer Bäume analysieren will, ist mit diesem Buch sehr gut bedient.

{ln:Europas alte Bäume. Ihre Geschichten, ihre Geheimnisse. '„Europas alte Bäume. Ihre Geschichten, ihre Geheimnisse.“}. Pater, Jeroen, 192 Seiten, 26 cm x 34 cm, durchweg farbig, Hardcover, 19,95 Euro.

Erschienen in {ln:BONSAI ART 103 'BONSAI ART 103}