erschienen in BONSAI ART 79

Prunus – Kirsche

Zur Familie der Rosaceae gehörig, wird vermutet, dass der Kirschbaum einst zusammen mit den ersten indogermanischen Einwanderungswellen aus Asien nach Europa gelangte; es gibt aber auch die Hypothese, der Baum habe zunächst die italienische Halbinsel erreicht und habe sich dann nach Norden und Westen über den Zug der Vögel verbreitet, die ja gerne Kirschen verspeisen. Die Pflanzen könnten also Etappe um Etappe aus dem Kaukasus, Armenien, Kleinasien entlang den Vogelzugrouten Deutschland, die Schweiz und Dänemark erreicht haben.


Unsere Kulturkirschen entstammen zwei Spezies, die sich durch besondere Merkmale ihrer Früchte und der Pflanzen unterscheiden, so die weichfleischigen von den hartfleischigen. Einige Autoren schreiben der Süßkirsche (Prunus avium) die erste Qualität zu, während die andere der Sauerkirsche (Prunus cerasus) zugeordnet wird. Als Pflanze von 10 bis 25 m Höhe hat die Kirsche einen geraden Stamm von 50 bis 70 cm Durchmesser, eine schwärzliche oder dunkelgraue, glatte oder raue Rinde.
Die Knospen stehen aneinandergedrängt oder frei, einzeln oder in Gruppen, die Blütenknospen sind größer als die Triebknospen. Die Blätter sind groß und je nach Spezies mehr oder weniger hängend, mit einer ovallänglichen Blattfläche, spitz zulaufend, mit doppelter Zackenreihe und in einem schönen glänzenden Grün. Die zu drei bis sechs in sitzenden Blätterdolden oder Sträußen in Dolden zusammenstehenden Blüten verfügen über einen rötlichen Kelch, weiße und duftende Blütenblätter, zwanzig bis fünfunddreißig Staubblätter mit gelben Staubgefäßen und einen freien Fruchtknoten.
Die Frucht ist eine hängende, ovale oder herzförmige Beere. Die Farbe reicht vom fleischfarbenen Gelb über Rosarot bis zu Dunkelrot. Die Frucht der Kirsche wird meist direkt verbraucht, wird aber auch zu Marmelade, Sirup oder kandierten Früchten verarbeitet. Das Öl der Kirsche wird für Sirup und Marmelade, während die Stiele heilpflanzlich verwendet werden; besonders gerne wird auch das Holz dieser Spezies genutzt.

Die Kirsche als Bonsai

Zurzeit sind Kirschen in der Bonsaiwelt nicht sehr verbreitet. Obwohl es sich um den Baum handelt, dessen Blüte das Emblem Japans ist, gibt es, mit Ausnahme der Variante Fuji-zakura, keine Schriftstücke, die seine Beliebtheit nachweisen, nicht einmal aus der Zeit des Booms der Blütenbäume. Die Spezies werden nicht so sehr wegen ihrer winterlichen Silhouette, sondern wegen ihrer spektakulären Blüte im Frühjahr kultiviert. In der Bonsaikunst werden Prunus avium, die in ganz Europa wild wächst, Prunus cerasus und Prunus serrulata japanischer Herkunft verwendet. Die Spezies eignet sich zur Gestaltung im locker aufrechten, Kaskaden- und Halbkaskadenstil.

Vermehrung
Unter den Vermehrungsmethoden ist die über Stecklinge die beste, die Vermehrung kann aber auch durch Samen und Pfropfen erfolgen. Sobald die Früchte reif sind, können die Kerne verwendet werden. Bevor man sie in eine Mischung aus Torf und Sand pflanzt, muss das Fruchtfleisch von den Samen entfernt werden. Die Samen keimen im nachfolgenden Frühjahr, im Winter muss das Beet aber vor Frost geschützt werden. Die Aussaat kann auch im Herbst erfolgen, nachdem die Samen einige Monate gelagert worden sind.
Der ideale Zeitraum für die Vermehrung über Stecklinge ist der März oder der Monat Juni (Sommerstecklinge). Beim Frühjahrssteckling, der Erfolg versprechender ist, werden Zweige aus dem vorherigen Jahr mit einer Länge von 35 cm abgeschnitten. Erfolgt die Vermehrung mit Junitrieben, reicht dagegen eine Länge von 7–8 cm. Ratsam ist, einen konkaven Schnitt vorzunehmen, um gut verteiltes radiales, statt stark seitlich orientiertes Wachstum der Wurzeln zu erzielen. Die Stecklinge werden in einen Styroporkasten mit Löchern im Boden in Kanuma (leicht saure japanische Erde) gepflanzt. Beim Frühjahrssteckling muss der Zweig auf die Hälfte seiner Länge eingesetzt werden, weil der Schnittbereich durch tieferes Einpflanzen von einer höheren Temperatur profitieren kann. Was die im Juni gepflanzten Stecklinge angeht, so werden diese nur zu einem Drittel ihrer Länge eingepflanzt. Der ideale Standort für beide Arten von Stecklingen ist vor Sonneneinstrahlung und Wind geschützt. Die Frühjahrsstecklinge müssen allerdings im Juni, die des Sommers im September, an einen sonnigen und gut belüfteten Standort gebracht werden.
Das Pfropfen von Zweigen erfolgt bei der Kirsche nur im März, wenn die Pflanze, die die Unterlage bildet, gerade austreibt. Diese wird dann ungefähr 10 cm vom Wurzelansatz entfernt abgeschnitten. Das Reiß wird auf beiden Seiten längs und schräg zum Ansatz eingeschnitten, wobei einer der Schnitte leicht kürzer ist. An der Unterlage wird ein senkrechter Schnitt vorgenommen, der nur wenig länger ist, als der des Pfropfreises, damit die Verbindung der Veredelung genau passt. Ist das Reiß einmal in die Unterlage eingesetzt, wird das ganze stramm mit Raffia oder Folienband zusammengebunden. Im ganzen ersten Jahr lässt man den Baum frei wachsen. Die Wurzeln treiben in der Regel nach einigen Monaten aus, brauchen aber ungefähr ein Jahr, um sich zu stabilisieren.

Standort
Die Spezies mag sonnenreiche Standorte, besonders in der Zeit der Ausbildung der Unterschiede bei den Knospen in den Monaten Juni und Juli. Generell öffnen sich die Blütenknospen, die vor dem Winter ausgebildet sind, nachdem sie niedrigen Temperaturen ausgesetzt gewesen sind. Damit Kirschen blühen, müssen sie im Winter über einen Zeitraum zwischen einer Woche und einem Monat niedrigen Temperaturen (zwischen 0 und 5°C) ausgesetzt werden. Deshalb sollten Kirschen im Herbst nicht zu früh ins Kalthaus gebracht werden. Ideal ist, wenn dies nach den ersten Kälteeinbrüchen geschieht.

Gießen
Da es sich um eine Spezies handelt, die reichlich Blattwerk bildet, weswegen der Wasserverbrauch entsprechend hoch ist, muss eher häufig gegossen werden. In der Blütezeit muss ebenso zusätzlich Wasser gegeben werden, was auch für die Zeit der Bildung der Blütenknospen im Sommer gilt.

Beschneiden
Generell wird die Kirsche nach der Blüte beschnitten, wobei die Zweige auf 1–2 Knoten zurückgeschnitten werden; dann erneut im Herbst, nach dem Abfallen der Blätter, oder besser noch, wenn die Blätter beginnen, ihre Farbe zu wechseln. Bei den Kirschenarten, die gleichzeitig austreiben und blühen, sollten die kräftigen Spitzenknospen abgeschnitten werden, bevor sich die Blüten öffnen, sonst konzentriert sich die Lebenskraft allein auf die starken Knospen an den Enden. Die Folge wäre, dass sich die Knospen im Innenbereich nur schwach entwickeln und noch vor dem Öffnen abfallen können. Nachdem sich im Mai die neuen Triebe ausgebildet haben, werden die Enden der kräftigen Triebe pinziert. Das Bremsen des Wachstums der kräftigen Bereiche ist ein zentraler Punkt bei der Kultivierung.
In der Regel bilden sich die Blütenknospen im Juli. Beim Beschneiden ist zu berücksichtigen, dass die Kirsche, wenn die Zweige im Mai/Juni aggressiv zurückgeschnitten werden, leicht unter Saftrückzug leiden können. Die ein Jahr alten Zweige können ruhig zurückgeschnitten werden. Die Zweige, die bereits eine gewisse Konsistenz erreicht haben, sollten beim Umpflanzen im Oktober oder nach der Blüte abgeschnitten werden. Grobe Schnitte müssen immer nachbearbeitet und mit Wundverschlusspaste behandelt werden.

Drahten
Solange der Baum noch jung ist, wächst das Zweigwerk dünn und sehr kräftig. Wenn man die kräftigen Äste beschneidet, bilden sich kaum neue Zweige. Deshalb gestaltet man in der Regel durch Drahten, vor allem, wenn es sich um einen noch jungen Sämling handelt. Möchte man besondere Formen gestalten, wie einen gewundenen Stamm oder einen Stamm im Halbkaskadenstil, ist es sicherlich ratsam, die Kultivierung mit einer jungen Pflanze zu beginnen, so dass die Grundform durch frühes Biegen des Stämmchens geschaffen werden kann. Ein letzter Rat besteht darin, die neuen kräftigen Triebe beim Drahten nach unten zu biegen. Die Kirsche tendiert dazu, die Wachstumsenergie besonders in den stark entwickelten Bereichen (zum Beispiel an den Zweigenden) zu konzentrieren, die unteren und inneren Zweige verlieren dagegen schnell an Kraft. Deshalb versucht man, dass Wachstum in die schwachen Bereiche zu lenken (zum Beispiel die niedrig entspringenden Zweige) und kontrolliert die kräftig sich entwickelnden Bereiche, sobald der Baum im Frühjahr zu wachsen beginnt.

Pinzieren
Die Kirschen verzweigen sich tendenziell schlecht und mit langen Internodien. Das ist leider unvermeidbar. Dennoch kann man mit der Regulierung der neuen Triebe im Frühjahr optimale Ergebnisse erzielen. Die Wachstumsrichtung muss beim Kürzen auf den zweiten oder dritten Knoten der Zweige, deren Wachstum gebremst werden soll, kontrolliert werden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass neue Triebe keine Blütenknospen tragen.

Umpflanzen
Vorzugsweise sollte diese Spezies zwischen Oktober und November unmittelbar vor dem Abfallen der Blätter oder unmittelbar danach umgepflanzt werden. Innerhalb mehr oder weniger eines Jahres bilden sich reichlich Wurzeln, die den in der Schale verfügbaren Raum ausfüllen. Deshalb sollten zumindest die jungen Pflanzen einmal im Jahr umgepflanzt und dabei zwei Drittel der Wurzeln entwirrt und aggressiv zurückgeschnitten werden. Man kann auch im Frühjahr, bevor sich die Blütenknospen öffnen, zwischen Ende Februar und Mitte März umpflanzen. Bei allen Spezies, die zur Familie der Rosaceae gehören, ist aber das Umpflanzen im Herbst zu empfehlen. Beim Umpflanzen dürfen die Wurzeln, die nach unten wachsen, nicht erhalten werden. Außerdem muss der Wurzelapparat und sein Wachstum in die verschiedenen Richtungen sorgfältig geprüft werden.

Düngen
Da ständig gedüngt werden muss, ist ein langsam sich zersetzender organischer Dünger von Vorteil. Man düngt in der Zeit von nach der Blüte bis Ende August und ersetzt den alten Dünger ungefähr alle 20 Tage durch neuen.

Krankheiten
Vorsicht vor dem Befall von Pilzen und Parasiten, insbesondere von Blattläusen. In der Wachstumsphase sollte die Pflanze täglich auf Schädlinge kontrolliert und ggf. behandelt werden. Zwischen Dezember und Januar darf die Winterspritzung mit Jinmittellösung (im Verhältnis von 1:20 mit Wasser gemischt) nicht vernachlässigt werden. Um Krankheiten zu unterbinden, hilft die Wahl eines gut belüfteten Standortes.