„30 Jahre Bonsai-Club Deutschland“ 

Ein Verein schenkt sich was zum Geburtstag. In diesem Fall ist es der BCD, der sich ein schönes Buch zu seinem dreißigsten schenkt, sich damit feiert, aber auch zeigt, was in ihm steckt. Neben den aktuellen Top-Bonsai aus den Reihen der Clubmitglieder, die den heutigen Stand der organisierten Bonsaikultur in Deutschland repräsentieren, hat der Club sich damit auch seine Geschichte geschrieben. Seine Teen- oder Twen-Zeiten hat er hinter sich. Wie die waren, kann man nun nachlesen.

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Zehn Seiten dokumentieren die Geschichte des Bonsaiclubs, dessen nationale Organisation immer zugleich ein Vorteil (zentrale Stelle, um alles rund um Bonsai zusammen zu bringen) und Nachteil (wenig Kontakt der Nicht-Süddeutschen) war. Die ewige Föderalismusdebatte aus der großen Politik zeigt, dass Deutschland insgesamt mit seiner Geschichte diese Widersprüche in sich trägt. Daran schließt sich eine Seite an, die Bonsai – ohne Club – seit 100 Jahren in Deutschland beschreibt. Auch hier ist der Autor Herbert Obermayer aus der „Dresdner Gruppe“, deren Ausstellung 2007 dieses Jubiläum zum Anlass nahmen.
Nun, wie auch immer man Geschichte oder Geschichten schreibt, 30 Jahre einen Club zu erhalten hat viel Arbeit gemacht und damit vielen Menschen den Zugang zu Bonsai ermöglicht. Dafür gebührt dem BCD Dank.
Kommen wir aber zu den aktuellen Bonsai, um die es ja eigentlich gehen soll. Davon sind in diesem Buch ca. 100 Exemplare abgebildet, von denen mehr als die Hälfte nicht aus dem Import stammen. Bonsai hat also nun seine Heimat auch im Westen gefunden. Was viele weitsichtige Japaner schon immer wussten, dass Bonsai eine Weise ist, Bäume zu sehen und diese Sichtweise anderen vorzustellen, hat sich zunehmend durchgesetzt. Auch ich dachte in den 80ern noch, echte Bonsai könnten nur aus Japan kommen. Dass es auch wahre Bonsai in Deutschland gibt, zeigen die ausgezeichneten Bilder dieses Buches.
Die Bilder machen aber auch klar, dass es „erst“ 30 Jahre – und meist sehr viel weniger – sind, die diese Bonsai der menschlichen Kultivierung ausgesetzt waren. Ein Beispiel: Nicht umsonst wird die nationale japanische Bonsai-Ausstellung (Kokufu-ten) im Februar, d.h. im Winter abgehalten. Die laubabwerfenden Bäume zeigen ja nur in der kalten Jahreszeit ihre ganze filigrane Schönheit. Die Jahresausstellung des BCD fand jedoch im Oktober statt. Die Ahorne und Co. standen dementsprechend in vollem Laub, oft noch nicht einmal in buntem. Da gibt es für den feinsinnigen Bonsaifreund kaum was zu sehen von der nackten Schönheit dieser Spezies. Nur wenige der ausgestellten Laubbäume werden aber die hohe Qualität der Feinverzweigung aufweisen, um derentwillen eine Ausstellung im Winter stattfinden müsste. Bleiben wir also bescheiden und schauen auf die bereits entwickelten Qualitäten, und derer sind viele.
Der Siegerbaum heimischer Herkunft – eine Fichte auf Felsen – hat eine Dramatik und ausgesprochen wild-natürliche Ausstrahlung, wie man sie auch in Japan nur sehr selten findet. Ein würdiger Träger der Goldmedaille. Auch diesem Bonsai ist die noch geringe Feinverzweigung anzusehen, aber hier gehört sie zu dem Konzept einer Kaskade, von deren Zweigen nur die vitalsten überleben und dichte Etagen unpassend wirken würden.
Solche Überlegungen wären auch an verschiedenen anderen Stellen angebracht, nämlich dort, wo schwere Stammverletzungen (Shari) und üppige Kronen eigentümliche Gemeinschaft bilden. Auch die Frage der Astgestaltung (Grundschulwissen des Bonsai) wird z.T. höchst individuell verstanden. Das führt zu Bonsai, deren Bewegung in den verschiedenen Ebenen nicht harmonisch gerichtet sondern auseinander strebend unentschlossen wirkt. Schade, denn oft könnten kleine Korrekturen den ganzen Bonsai sehr viel stimmiger erscheinen lassen.
Bonsai ist eine Schule des Sehens – eine, die in unserer Kultur nicht gelehrt wird. Der Club hat, vielleicht ohne es zu wissen, vor 30 Jahren mit dem Unterricht angefangen. Heute ist in dem vorliegenden Buch abgebildet, was die Mitglieder, deren Sehvermögen am weitesten entwickelt worden ist, erkennen und für andere sichtbar machen können. Zum Sechzigsten werden uns die Augen übergehen.

30 Jahre Bonsai-Club Deutschland
128 Seiten, durchgehend farbig, Hardcover, Schuber, 39,90 Euro