Rezension aus BONSAI ART 194
Die meisten Bonsai-Liebhaber (der Rezensent eingeschlossen) mögen Ausstellungs-Bildbände, bieten sie doch Gelegenheit, Bäumen näher zu kommen, die man nur selten in natura zu sehen bekommt – und vermutlich nie im eigenen Garten haben wird. Es gibt natürlich auch viele Ausreden, sich keine Ausstellungs-Bildbände zuzulegen. Zu teuer, man guckt sie nur einmal an und dann verstauben sie im Regal und es gibt allgemein viel zu viele davon u.s.w. Egal ob Sie schon viele Bildbände haben oder wirklich noch nie einen gekauft haben: Diesen muss man haben. Er ist zwar tatsächlich nicht billig, aber man guckt ihn garantiert mehr als nur einmal an und er ist einzigartig unter den vielen anderen Bildbänden.

Um bei einer der großen Bonsai-Ausstellungen in Japan wie der Kokufu-Ten oder Taikan-Ten angenommen zu werden, braucht man im Mutterland des (modernen) Bonsai einen Top-Baum, der natürlich auch in einer passenden Top-Schale stehen muss. Dazu nimmt man in der Regel die Hilfe eines Profis in Anspruch, der den Baum akribisch für den Besitzer über Monate auf die Ausstellung vorbereitet. Die wenigsten Besitzer sind selber derart gute Gestalter, als dass sie einen Baum für eine große Ausstellung vorbereiten könnten.
Die Sakufu-Ten ist anders. Dies ist die Ausstellung der Profis, auf der diese ihre eigenen Werke unter ihrem Namen ausstellen. Wer hier einen Preis gewinnt, darf sich zu den besten Gestaltern Japans zählen und entsprechend auf Renommee und mehr Kundschaft hoffen. Ausrichter dieser Ausstellung ist der Berufsverband der Bonsai- Profis.
Zum 50. Jubiläum wurde der vorliegende Bildband herausgegeben, der alle Preisträger seit der 1. Ausstellung 1976 bis zur Ausgabe 2024 zeigt. Das Buch kommt in einem festen Kunstleinen-Einband in einem Schuber und umfasst ca. 210 Seiten.
Alle Texte und Beschreibungen sind auch in englischer Sprache abgedruckt. Wer das ein oder andere Medium zum Thema Bonsai konsumiert, sieht hier die Bäume abgebildet, die in den Bonsai-Geschichten vorkommen: Die Mädchenkiefer mit dem Namen Oku-no-kyosho, die Kunio Kobayashis Karriere maßgeblich beeinflusste, die er später kaufte und die dann unter seiner Obhut sehr zu seinem Leidwesen starb (Preis des Premierministers 1982). Die Mädchenkiefer von Shinji Suzuki, die Michael Hagedorn während seiner Lehrzeit bei Suzuki für die Ausstellung vorbereitete und von der er in seinem Buch „Der Bonsai Lehrling“ erzählt (Preis des Premierministers 2005). Der weltberühmte Wacholder Toryuno-mai von Masahiko Kimura (Preis des Premierministers 1988). Die Aufzählung ließe sich beliebig fortsetzen. All diese Bäume sind in dem Buch versammelt, abgedruckt auf erstklassigen Fotos. Auch viele vergangene und gegenwärtige Meister sind hier zu sehen – buchstäblich, denn zu jedem Baum ist ein kleines Portrait-Bild des Gestalters abgedruckt. Beispielsweise gewann den ersten Preis des Premierministers 1976 Saichi Suzuki, der Altmeister der Kiefern-Bonsai, der die Technik des Mekiri (Schneiden des Neutriebes bei Kiefern mit zwei Austrieben pro Jahr) erstmalig etablierte. Aber auch Saburo Kato, Minoru Akiyama, Taiga Urushibata, Yasuki Esaka, Kunio Kobayashi, Shigeo Isobe, Iwao Katagiri – alles Gestalter, die in Europa (nicht zuletzt aus der BONSAI ART) bekannt sind haben Preise bei dieser Ausstellung gewonnen.
Man kann dieses Buch regelrecht zum Studium verschiedener Aspekte nutzen, beispielsweise, wie sich die „Mode“ hinsichtlich der Schalenwahl in den vergangenen 50 Jahren geändert hat. Bis in die 1990er Jahre hinein waren die Schalen meist größer dimensioniert als es heute der Fall ist. Auch manche Gestaltungen wirken wie aus der Zeit gefallen. Während einige der „alten“ Bäume (z.B. ein herrlicher Wacholder von Hideo Kato, Preis des Premierministers 1980) auch genauso gut heute auf einer großen Ausstellung stehen könnten, wundert man sich über andere (z.B. ein kerzengerader Igelwacholder mit kleinen Laubpolstern, Preis des Außenministers 1979). Zusammengefasst kann man sagen: Dieser Bildband ist
wirklich jedem Bonsai-Liebhaber wärmstens zu empfehlen. Wenn man nur einen Bildband im Regal haben möchte, sollte man zu diesem Buch greifen. Für Sammler versteht sich die Anschaffung quasi von selbst. (TG)
Jubiläums-Bildband zur 50. Sakufu-Ten, Preis: 15.000 ¥ (ca.
90 €), zzgl. Versand und Importkosten. Zu beziehen über die
Nippon Bonsai Association, www.bonsai.co.jp