„Ja, jetzt schweift er aber richtig vom Thema ab“.
Mitnichten, liebe Leser! Ich will Sie, wie immer, mit mehr oder weniger wichtigen Tipps zum Thema Bonsai versorgen.
Wofür soll ein Kendo-Schwert, japanisch: „Shinai“ [ɕi.na.i] (jap. 竹刀, deutsch: „Bambusschwert“ genannt, gut sein, außer für Menschen, die diese alte japanische Kampfkunst betreiben oder vielleicht ungebetene Gäste von Haus und Hof vertreiben wollen?
Wo und wie kommt da Bonsai ins Spiel?
Ich versuche, Sie aufzuklären: Zurechtgeschnittene Teile eines „Shinai“ lassen sich zum besten Umtopfwerkzeug für unser schönes Hobby umfunktionieren. Also woher kam die Idee? Aus Japan natürlich, abgekupfert, ist doch klar!
Kendo-Schwert? Nee, zurechtgeschnittene und geschliffene Abschnitte aus dickwandigen Bambussorten.
Zum ersten Mal habe ich dieses Werkzeug vor etwa 10 Jahren bei einem Workshop mit Iwao Katagiri und Takashi Iura gesehen. Beide verdeutlichten damals eindrucksvoll die Vorteile dieses äußerst stabilen und doch so wurzelschonenden „Instrumentes“. Nach meiner fast 10-jährigen Erfahrung mit dem Werkzeug, kommt es beim Lockern des Erdballens und dem Entwirren der darin enthaltenden Wurzeln kaum zu Beschädigungen und der Gebrauch des Werkzeugs gefährdet somit nicht das Leben der Pflanze nach dem Umtopfen.
Anders als bei der Nutzung von Essstäbchen, Umtopfhaken, -krallen oder ähnlichem entstehen keine Schneid- oder Reißeffekte. Übrigens nutzen Sie für Ihre geplante neue Anschaffung zu dünnen Bambus, blühen Ihnen die gleichen Nachteile, die ich gerade aufgezählt habe.
Einige Jahre habe ich wegen Problemen bei der Beschaffung von dickwandigem Bambus auf einen eigenen Umtopfstock verzichten müssen, bis einer meiner Schüler in den Bonsai-Klassen die zündende Idee hatte. (klar, „dem Ingenör ist nix zu schwör“).
Was braucht man(n) oder Frau? Eigentlich nicht viel: Eine Tochter (oder einen Sohn, Freunde etc.), die in schöner Regelmäßigkeit bei der Ausübung Ihres Hobbys Kendo-Stöcke verschleißen und natürlich ein bisschen handwerkliches Geschick, um sich so etwas selbst dann herzustellen. Ich verzichte hier aufgrund von Sachkenntnis und der Tatsache, dass es sich hier um eine Kolumne in einer Bonsai-Fachzeitschrift handelt, auf die Erklärung des Aufbaus und der Geschichte eines Shinai.
Fakt ist: Das Ding besteht meistens (es gibt auch Shinai aus Carbon) aus sehr dickem Bambusrohr in mehreren Teilen.
Genau dieses brauchen wir!
Genauer gesagt, geschnitten in ca. 18 – 25 cm lange Stücke, die der Länge nach von ca. 2,5 cm auf ca. 0,5 cm gleichmäßig verjüngt sind. Die Dicke des Materials sollte unbedingt 5 –10 mm betragen. Alle Ecken und Schnittstellen werden gut geschliffen, um Baum und auch die Finger bei der Nutzung vor Verletzungen zu schützen.
Einer der Nodien (ugs. Bambusknoten, jap. 節, Fushi), sollte sich im oberen Drittel der breiteren Stelle also in „Griffnähe“ befinden, weil dies ein stabileres Halten des „Shinai“ ermöglicht. Die Spitze des Werkzeugs wird besonders sorgsam aus allen Ebenen sehr sanft spitz zugeschliffen. Der ganze Vorgang kostet nicht viel Zeit und erfordert keine besonders komplizierten Werkzeuge.
Hat man, woher auch immer, ein altes defektes Shinai erhalten, brauchen Sie sich und auch Ihr gesamter Arbeitskreis oder sonstige Bonsai-Freunde keine Gedanken mehr über zukünftiges Umtopfwerkzeug zu machen. Meiner Erfahrung nach reicht so ein ganzes Shinai für über ein Dutzend schöner Umtopfstöcke. Die Lebenszeit erscheint mir geradezu passend für unser schönes Hobby.
Aus eigener Erfahrung kann ich sagen (und ich nutze meinen „Umtopfshinai“ nicht wenig): So ein Ding hält ewig!
Also, „ran die Buletten“, Zeit ist genug bis zur nächsten Umtopfperiode. Beim nächsten Kendo-Verein nachgefragt oder anderweitig ein gebrauchtes defektes Shinai besorgt und los geht’s. Bauen auch Sie sich ihr neues kleines Helferlein. Gefährden Sie Ihre Bäume weniger mit dem unsachgemäßen Umgang anderer Werkzeuge. Nicht zuletzt sparen sie ein paar Taler und vertreiben sich die Zeit mit sinnvollen Dingen in der Zeit, an der die Arbeit an den Bonsai ruht.
So, jetzt freue ich mich mit Ihnen auf einen hoffentlich besonders wuchsstarken Sommer und verbleibe mit dem traditionellen Gruß in meiner Heimat.
Glück auf, Ihr
Christian Przybylski